Tempolimits sind gefährlich, Radarfallen aber auch

Gestern auf einer kleinen Runde über die Dörfer. Plötzlich macht der Fahrer vor mir eine Notbremsung, um kurz darauf wieder aufs Gas zu gehen. Was war passiert?

Eine neue Radarfalle oder etwas, das wie eine aussah.

Immer wieder erlebe ich es, dass Autofahrer (Moppeds haben vorne kein Nummernschild, daher gibt es diesen Vollbrems-Reflex dort meistens nicht) voll in die Eisen steigen, wenn sie so einen Kasten entdecken.

Gnaaaaaaaa!

Kann man diese Beutelschneider-Kisten bitte sofort verbieten oder wenigstens gesetzlich regeln, dass alle Einnahmen aus diesen Kisten in die Entwicklungshilfe gehen und nicht in die Stadtkasse?

Lane Splitting und die Rettungsgasse

Auf deutschen Autobahnen wird nicht nur das Rechtsfahrgebot der StVO ignoriert, sondern fast immer auch die Bildung der Rettungsgasse. Während dauerndes links fahren in erster Linie nur nervig ist, kann die nicht vorhandene Rettungsgasse Leben kosten. Kein Spaß.

Im Stau stehen

Als ich letztens auf die Autobahn in den Stau auffuhr, wollte ich schon mit dem Lane Splitting anfangen, als der beifahrende Herr Wachtmeister ein paar Autos weiter vorne schon den Zeigefinger in meine Richtung erhob und warnend damit wackelte. Na toll. Da stehe ich nun im Stau auf der Bahn und die Polizei hat nicht besseres zu tun, als mir die Durchfahrt zu verwehren. Sie hätten auch die nicht vorhandene Rettungsgasse öffnen können. Einfach mal die Fackeln anmachen und die Autos zur Bildung einer Rettungsgasse (zur Erinnerung, die Gasse muss immer gebildet werden, nicht erst wenn die Polizei mit Hump-Tata und Blinki-Blink im Kofferraum steht) auffordern und dann dort durchfahren, wäre eine Alternative gewesen. Das fände ich pädagogisch viel sinnvoller als kurz vor den Sommerferien-Staus ein paar neue Plakate aufzuhängen. Besonders wenn die Polizei regelmäßig durch den Stau fährt und die Autos an die Rettungsgasse erinnert, könnte es passieren, dass die Rettungsgasse irgendwann immer und automatisch gebildet wird.

Der Zweirädrige Freund vom Freund und Helfer

Ich gehe noch einen Schritt weiter. Wenn die Moppeds auf der Autobahn die Rettungsgasse mitbenutzen dürften (Achtung: Gesetzesänderung erforderlich), dann gäbe es gleich ein paar hunderttausende Freiwillige, die die PKW daran erinnern, dass sie eine Rettungsgasse bilden müssen. Immer und immer wieder.

Um das Ganze mit einer Anekdote zu belegen: Kurz nachdem der Stau mit der Polizei vorbei war, kam der nächste Stau und dieses Mal habe ich die Rettungsgasse genutzt um Meter zu machen. Einige Autos haben mich kommen gesehen und Platz gemacht. Viele, so hat ein regelmäßiger Blick in die Rückspiegel gezeigt, haben hinter mir die Rettungsgasse offen gelassen.
Und noch eine Anekdote: Ein paar Tage später, wieder im Stau, konnte ich durch eine bereits existierende Rettungsgasse fahren. Die wurde nicht etwa von Einsatzfahrzeugen irgendeiner Art gebildet, sondern von drei Moppeds, die weiter vorne die mittlere der beiden Spuren benutzt haben.

Verboten und Gefährlich

Hier bei uns ist es verboten und damit ist jede Diskussion in Deutschland immer beendet. Ab dem Zeitpunkt zählen keine Argumente, weshalb ich wenig Hoffnungen habe, dass sich etwas ändert, schreibe aber trotzdem weiter.
Vorsichtig zwischen den Fahrspuren durchfahren ist nach meiner Erfahrung nicht gefährlich. Als Moppedfahrer bin ich es gewohnt, für alle anderen mitzudenken und gehe davon aus, dass ich übersehen werde. Was das Lane Splitting gefährlich macht, sind unaufmerksame Autoinsassen, die einfach mal die Tür aufreißen, während sie im Stau stehen. Das passiert auch der Polizei und dem Krankenwagen, wenn sie mit Blaulicht fahren. Vielleicht hilft es, wenn die Moppeds legal durchfahren dürfen und die PKW darüber informiert werden, dass Autofahrer erst gucken …
Noch schlimmer und gefährlicher sind die Oberlehrer-Aushilfs-Sheriffs, die die Rettungsgasse dicht machen, wenn Sie ein Mopped im Spiegel sehen. Die machen das auch bei den Abschleppwagen, die ebenfalls durch die Rettungsgasse fahren dürfen, was die Deppen aber nicht wissen. Am Ende kommt der Abschlepper später dort an, wo er den Stau auflösen kann und alle müssen länger warten, bloß weil der Oberlehrer ein Depp ist. Wenn Moppeds legal durch die Rettungsgasse dürfen, und der Oberlehrer das weiß, dann macht er vielleicht den Moppeds Platz. Davon hat der Abschlepper und der Rest des Staus nichts, aber irgendwas ist ja immer.

California über alles

In Kalifornien ist das Durchschlängeln durch den Stau seit kurzem erlaubt und weitere US-Staaten diskutieren darüber. Hier ist es kein Thema, soweit ich es mitkriege. Falls es irgendwo eine Legalize it-Kampagne gibt oder eine Rider Right-Gruppe darüber informiert oder diskutiert, stellt die Links bitte als Kommentar ein. Eine vereinzelte Petition ohne Unterstützung von Medien, Verbänden und Industrie ist wohl nur Zeitverschwendung.

P.S.
Autofahrer verlieren nichts, wenn Moppeds nicht im Stau stehen. Wenn sogar ein paar Autofahrer aufs Mopped umseigen gewinnen sogar diejenigen, wie im Auto sitzen bleiben, um nochmal an die belgische Studie von 2012 [PDF englisch] zu erinnern, in der belegt wird, dass 10% Umsteiger aufs Mopped 40% weniger Stau bedeuten.

Die Lichthupe, Aufzucht und Pflege

Eigentlich gibt es nur zwei Gründe, eine Lichthupe zu verwenden:

  1. In einer Gefährdungssituation, da bedeutet sie dann in etwa:
    AAAAAAAAAaaaaarrrrrggghhhh, Du blindes Stück Scheiße, gibt Deinen Führerschein ab und geh zu Fuß Eins-Elf!
  2. Außerhalb geschlossener Ortschaften, da bedeutet sie dann etwas in der Art von: Seien Sie gegrüßt, werter Vorausfahrender. Ich möchte Ihnen mitteilen, dass ich gedenke, an Ihrem Kfz vorbeizufahren (§16 StVO (1))

Um das nochmal deutlich zu machen: Wenn Dir jemand auf der Bahn eine Lichthupe gibt, dann ist das im Rahmen der StVO voll in Ordnung und keine Beleidigung oder sonst ein Affront auf den Du mit einer Trotzbremsung oder wütendem Fingerwedeln reagieren solltest. Wenn Du Dich in Deiner Ehre oder Potenz beleidigt fühlst weil Du eine Lichthupe im Rückspiegel siehst, sprich mit Deinem Psychiater oder lies nochmal die StVO. Ja Du, nicht der mit der Lichthupe.

>>>Edit:
Nach dem Kommentar von Marco (weiter unten) ist mir aufgefallen, dass ich nicht darauf hinweise, dass es sich um die StVO von Deutschland handelt. Im Rest der Welt hat diese keine Gültigkeit und dort kann es ganz anders geregelt sein.
/Edit<<<

LKW

Ich glaube, die LKW-Fahrer haben die Lichthupe als erste anders eingesetzt. Weil die PKW auf der Bahn immer so ungeduldig sind, hat der LKW, der von einem anderen LKW überholt wurde, die Lichthupe dazu benutzt um mitzuteilen:
Kollege, Du bist vorbei und der Sicherheitsabstand ist jetzt für mich ausreichend, komm wieder rüber.

Das sieht die StVO jetzt nicht vor, aber ich finde es ist in dieser Situation eindeutig.

Gaaaaaaaaanz falsch

Manche PKW haben das mit der Lichthupe bei den LKW gesehen und es falsch verstanden. Es bedeutet eben nicht: Ich lass Dich vor.
Nein, niemals, ganz und gar nicht bedeutet es das! Wenn die Lichthupe etwas bedeutet, dann eher: Lass mich durch, bleib da wo du bist, ich will überholen! Das entspricht der StVO. Wenn Du also jemandem signalisieren willst, dass er auf der Bahn vor Dir einscheren darf, dann ist die Lichthupe ganz falsch.

Besser ist das

Natürlich ist es nett, wenn Du auf Deine Vorfahrt verzichten und jemand vorlassen möchtest. Die Lichthupe ist jedoch das falsche Signal um das kundzutun. Moppedfahrer können einfach eine einladende große Geste mit der Hand machen, sie sitzen ja gut sichtbar im Freien. Ich spare mir jetzt nicht die Bemerkung, dass Moppedfahrer sich diese Geste auch gleich sparen können, weil die Autofahrer sie sowieso übersehen, also die ganzen Moppeds, nicht die Geste.

Autofahrer können nicht so gut sichtbar gestikulieren, wenn sie sich nicht weit aus der geöffneten Seitenscheibe lehnen wollen. Aber zum Glück gibt es noch eine andere, fast vergessene Möglichkeit, mit den Lampen am Auto etwas mitzuteilen: die Blinker.

Wenn Du jemanden auf der Autobahn vor Dir von der rechten Spur oder dem Beschleunigungsstreifen einscheren lassen möchtest, dann blinke einfach rechts.

Ja, tatsächlich: blinken

Ein kurzer Einschub:
Ich, und einige der Altvorderen wissen, damals wurden elektrische Blinker eingeführt, weil Handzeichen in der Dunkelheit so schlecht zu sehen waren. Damals hat man angefangen mit dem Blinker eine geplante Richtungsänderung oder einen geplanten Fahrspurwechsel anzuzeigen. Geplant im Sinne von: vorher.
Heutzutage ist sowas natürlich undenkbar und wird nur noch selten im Straßenverkehr praktiziert, ist jedoch immer noch legal. Einfach mal ausprobieren, tut nicht weh und hilft den anderen Verkehrsteilnehmern.  

Blinker rechts

Also zurück zu der Situation, in der Du jemanden auf der Autobahn vor Dir auf die Spur lassen möchtest. Du fährst auf der Überholspur und auf dem Fahrstreifen will jemand auch auf Deine Spur. Wenn Du jetzt nach rechts blinkst und er das sieht, weiß er, Du willst gar nicht an ihm vorbei. Und die hinter Dir her fahrenden wissen, dass Du nicht volle Pulle beschleunigen wirst, um die lahme Schnecke von der rechten Spur nicht reinzulassen. Und falls der Kollege auf der rechten Spur den Blinker nicht versteht, wird er rechts bleiben. Voilá, Missverständnis vermieden.

P.S.
Ich bin kein Anwalt und selbst wenn ich wäre, wäre das hier keine Quelle, auf die Du Dich vor Gericht berufen kannst. Das ist ist nur meine Meinung und wie ich es mache, ohne dass ich bisher dafür verknackt wurde.

Unfallursache Nr. 1

Reflexartig kommt die Antwort: „Zu schnell gefahren”, wenn die Frage lautet: Was ist die häufigste Unfallursache.

Sagen alle, liest man überall, hört man ständig und wenn dann auf einer Straße irgendwo mal ein Unfall passiert ist steht ein paar Tage später da ein neues Schild mit einer niedrigeren erlaubten Höchstgeschwindigkeit. Muss also stimmen, Milliarden Fliegen können sich nicht irren.

Tatsächlich ist “nicht angepasste Geschwindigkeit” 2015 nur auf Platz vier der Ursachen bei Unfällen mit Personenschaden.
Die Ursache heißt übrigens “nicht angepasste Geschwindigkeit”, wir verstehen nur immer “zu schnell”.

Logisch

Die Logik sagt: Wenn ein Fahrzeug auf ein anderes fährt, war die Geschwindigkeit am Treffpunkt größer als Null, also zu schnell.
Wenn man nur die Millisekunde des Aufpralls berücksichtigt, ist das wohl richtig. Aber die Frage sollte eigentlich lauten: Warum war die Geschwindigkeit dort zu groß.

Draußen in der echten Verkehrswelt ist es kompliziert herauszufinden, warum denn ein Unfall passiert ist, warum z.B. zwei Fahrzeuge zur gleichen Zeit am gleichen Ort waren.
Populäre Vermutung: Einer war zu schnell. Die Logik gebietet sofort eine weitere Möglichkeit: Einer war zu langsam. Wäre er schneller gewesen, wäre er schon weg, als der andere kam.

Realität

Ob er hätte schneller fahren können oder dürfen sind dann schon wieder andere Fragen.
Ob diese Möglichkeiten bei der Unfallanalyse zur Klärung der Schuldfrage geprüft wird, weiß ich nicht. Da es bei uns keine vorgeschriebene Geschwindigkeit gibt, sondern nur eine erlaubte Höchstgeschwindigkeit, gehe ich davon aus, dass “zu langsam” nicht standardmäßig bei der Schuldfrage berücksichtigt wird.

Und wer klärt eigentlich die Schuldfrage? Wie gut sind diese Menschen ausgebildet, und welche Werkzeuge, welche Motivationen haben sie? Kann die Polizei am Ende einer Ermittlung sagen “Fahrer A ist schuld, aber wir wissen nicht exakt warum, darum gibt es für Fahrer A keinen Strafzettel,” oder muss am Ende eine strafbare Handlung Grund für den Unfall sein? Die oben verlinkte Tabelle ist jedenfalls nicht vollständig in der Aufschlüsselung der einzelnen Ursachen. Letztendlich muss bei der Erstellung einer solchen Statistik irgendwo ein Kreuzchen gemacht werden.
Bleibt also die Frage, wie bekommt der Ermittler heraus, dass er das Kreuzchen bei “nicht angepasster Geschwindigkeit”  machen muss?

Die echte Nummer Eins

Und warum heißt es nicht “schneller als erlaubt” wenn “zu schnell” und “Unfallursachen Nr.1” schon als Begründung für Radarfallen herhalten müssen? Laut Statistik ist übrigens “Fehler beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren” Unfallursache Nr.1 Und damit sind nicht die kleinen Rempler gemeint, es geht ausschließlich um Unfälle mit Personenschaden.

Steile These

Ich behaupte jetzt einfach mal ganz kühn: “Schneller als erlaubt” ist viel viel seltener Unfallursache, als wir denken, ganz egal wie oft in Einzelfällen jemand mit 233 in einer 70er-Zone geblitzt wird. Immer dran denken: Wer geblitzt wird hat keinen Unfall. 

Schon alleine die Bezeichnung “nicht angepasste Geschwindigkeit” klingt nach “alles andere können wir nicht beweisen und irgendwas muss es ja sein” und nicht nach einer echten Ursache. Mindestens genauso gut könnte die Ursache “Unaufmerksamkeit” heißen. Egal wie schnell man fährt, wenn man eine Sekunde lang aufs Handy, Radio, Navi, dem Kindersitz hinten oder den Ausschnitt der Beifahrerin guckt, kann man in dieser Sekunde keine Notbremsung einleiten. Bei 50 km/h fährt man in dieser Sekunde 15 Meter weit, von 25 Metern Bremsweg, jeweils laut Faustformel.
Eine Sekunde weniger bremsen bedeutet eine sehr viel höhere Geschwindigkeit am Einschlagpunkt. Oder anders formuliert, kommt es dann zu einem Unfall, weil dem Fahrer 10 Meter Bremsweg fehlten, sieht es folgendermaßen aus: Der Fahrer konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen, also war er mit „nicht angepasster“ Geschwindigkeit unterwegs. Nächstes Mal ist da dann Tempo 30. 

Im U.K. hat mal jemand geguckt

Auf eine ähnliche Idee ist man vor 20 Jahren im U.K. auch schon gekommen und hat geforscht. Das Ergebnis klaue ich jetzt mal vom australischen Motorbike Writer:

(…) found that less than 8% of all road crashes involved exceeding speed limits as a causal factor. It clearly identified driver ‘inattention’ as the biggest causal factor in road crashes.

Den gesamten U.K.-Report TRL 323 gibt es zum Download gegen Registrierung.

Wenn ich raten darf, dann ist der Einfluss der Unaufmerksamkeit mit Einführung des Smartphones und vieler elektronischer Fahrhelferlein seit 1997 nicht kleiner geworden, dagegen helfen auch keine neuen Tempolimits.

Warum ich das hier schreibe?

Ich bin heute zweimal fast über den Haufen gefahren worden, einmal war ich zu Fuß unterwegs und einmal mit dem Mopped. Beide male waren die Fahrer abgelenkt, wenn auch gefühlt nicht schneller als erlaubt.

Trotzdem wird immer und überall nur der Raser thematisiert, es gibt Blitzermarathon auf Blitzermarathon, neue Tempolimits und an allen Straßenrändern diese Ablenkungs-Plakate mit der Mahnung „Nicht so schnell“.

Die weitaus häufigeren Unfallursachen werden davon auch aus dem Fahrerbewusstsein gedrängt. „Ich fahre ja nur 80 in dieser Baustelle, da kann ich eben noch ein Selfie posten, bevor ich WhatsApp checke. Ich halte mich ja an die Geschwindigkeitsbeschränkung, da bin ich sicher.“

 

Überholverbot ist ungerechter Quatsch

Nach dem ich letztens behauptet habe, zu viel Sicherheit ist gefährlich und dabei hauptsächlich auf viel zu viele und zu niedrige Tempolimits abzielte, geht es heute um das Überholverbot.

Mittlerweile gibt es gefühlt so viel Überholverbote, gerade auf Straßen mit nur einer Spur pro Fahrtrichtung, dass es sich schon fast lohnt, nur noch Überholerlaubnisse auszuschildern.
Das will ich aber gar nicht, ich will viel öfter überholen dürfen.

Überholen im Überholverbot ist aus zwei Gründen gefährlich für den Führerschein:

  1. Der Herr Wachtmeister braucht keine lasergestützte Radaranlage um mich zu erwischen, da reichen normale Augen.
  2. Überholverbot ist immer irgendwie gekennzeichnet und doch nie so ganz klar
Überholverbot - ach ne, doch nicht.

Überholverbot – ach ne, doch nicht.

Den zweiten Punkt möchte ich erläutern. Um das Überholen zu verbieten gibt es ein Verkehrszeichen (Nr. 276), um es wieder zu erlauben, gibt es ein anders (Nr. 280). Außer den Schildern, gibt es die durchgezogene Mittellinie (Beamtenhochdeutsch: Fahrstreifenbegrenzung). Bis hierher ist die Theorie noch einfach.
Draußen auf der Straße sieht es jedoch so aus, dass mal ein Schild am Wegesrand steht, dann die Linie durchgezogen wird oder es wird beides verwendet.
Ich schildere mal ein paar Situationen, an denen Du Dein Fahrschulwissen nochmal überprüfen kannst.

  • Wie sieht es es denn aus, wenn erst ein Schild steht, später kommt noch eine durchgezogene Linie hinzu, und dann wird diese durch eine gestrichelte Linie ersetzt. Ist hier noch Überholverbot, wegen dem Schild?
  • Was ist, wenn kein Schild steht, die Fahrspur ist 5 Meter breit und diese mit einer durchgezogenen Mittellinie von der Gegenrichtung abgegrenzt wird. Darf ich nun mit meinem Mopped überholen, wenn der seitliche Abstand zum Überholten groß genug ist und ich nicht über die Mittellinie fahre?
  • Und wie sieht es an den Stellen der Landstraße aus, an denen: die Linie gestrichelt ist, kein Schild steht, die Sicht frei ist und die Gegenfahrbahn auch, allerdings fährt der zu überholende PKW 91 km/h? Auf der Autobahn gilt: der Überholende muss mindestens 10 km/h schneller fahren als der zu Überholende.
  • Und was ist bei einer doppelten durchgezogenen Linie, ist das dann eine doppelte Verneinung: Du darfst hier nicht nicht-überholen? Oder anders formuliert, hier musst Du überholen.
  • Auch wenn Schild 276 „Überholverbot für Kraftfahrzeuge aller Art Art“ heißt, dürfen Einspurige, außer Moppeds mit Beiwagen, überholt werden. Bei einem durchgezogenen Mittelstreifen wohl auch, aber dabei darf nicht über den Mittelstreifen gefahren werden.
  • Oder darf ich beim Überholen eines Einspurigen im Überholverbot doch über die durchgezogene Linie?
  • Darf ich beim Mopped-Überholen im Überholverbot (Schild) über die gestrichelte Linie?
  • Gilt ein Überholverbot auch noch nach einer Kreuzung oder Einmündung? Klar ist, wenn man abbiegt, gilt es nicht mehr. Aber bei geradeaus gilt: Kreuzungen heben Streckenverbote (auch Tempolimits etc.) nicht auf. Mit anderen Worten, Du darfst nach der Kreuzung immer noch nicht überholen, wenn Du geradeaus gefahren bist. Derjenige, der an der Kreuzung auf Deine Straße eingebogen ist, darf Dich jedoch überholen (außer er ist ortskundig und weiß, dass vor der Kreuzung ein Überholverbotsschild steht).
  • Und wie ist es mit den landwirtschaftlichen Fahrzeugen? trecker-duerfen-ueberholt-werdenDas ist wenigstens eindeutig. Als Trecker gemäß Zusatzschild (1049-11) gelten: „Kraftfahrzeuge und Züge, die nicht schneller als 25 km/h fahren können oder dürfen.“
    Na gut, halb-eindeutig, denn an allem mehrspurigen, was nicht schneller fahren darf als 25 km/h, steht hinten ein Schild. Wie ich feststelle, dass der Zug vor mir nicht schneller als 25 km/h fahren kann, obwohl er gerade nur 25 km/h fährt, ist nicht geregelt. Was ist, wenn auf dem Anhänger die bei LKW üblichen Aufkleber mit 60 und 80 stehen, er aber von einem Trecker mit 40 Schild gezogen wird, der es bei dem Gewicht nur auf maximal 25 km/h schafft? Dann darf der zwar schneller, aber woher erkenne ich, dass er nicht schneller kann? Was ist mit dem PKW, der hinter dem Trecker her fährt und nicht überholen will, weil beide zum gleichen Ziel wollen? Der PKW darf schneller, kann schneller, will aber nicht schneller. Oder kann er doch nicht schneller, weil der Fahrer den Weg nicht kennt und daher hinterherfahren muss? Und was ist mit diesen Mopedautos mit 25 km/h Schild, die frisiert wurden und jetzt 70 fahren, dürfen die überholt werden?

Oder kurz: es ist kompliziert mit diesem Überholverbot.

Dabei könnte es so einfach sein. Eigentlich ist überholen nämlich nur dann erlaubt, wenn dadurch niemand gefährdet wird steht ein bisschen ausführlicher in StVO §5). Alles andere ist zusätzlicher Quatsch. Von dem noch gröberen Quatsch, seit neuestem nur noch dreispurige Straßen mit abwechselndem Überholverbot zu bauen, hat Ras-mussen bereits geschrieben. Eine ganz dumme Idee, die Ihren Ursprung bestimmt in gefühlter Gerechtigkeit und Aktionismus hat. Motto: Mehr Regeln – mehr Sicherheit.

Und ganz besonders unfugiger Quatsch ist, die Unlogik, dass im Überholverbot drei Reifen nebeneinander fahren dürfen, solange die äußeren beiden zu einem mehrspurigen Fahrzeug (vulgo: Auto) gehören. Andersherum ist es verboten. Oder anderes und von links formuliert:
2 m Auto plus, 1,5 m Sicherheitsabstand, plus 1 m Motorrad (gleich 4,5 m) ist sicher, 1 m Motorrad, plus 1,5 m Sicherheitsabstand, plus 2 m Auto (gleich 4,5 m) ist gefährlich. Ich hoffe, es liegt nicht an meinen mangelnden mathematischen Kenntnissen, dass ich nicht begreife, wieso 4,5 m gefährlicher und damit verboten sind als 4,5 m. Zumal die tatsächliche Straßenerfahrung etwas ganz anderes sagt.
Die links gelenkten PKW haben Schwierigkeiten den seitlichen Abstand zum überholten Einspurer einzuhalten, wohingegen es von Lenker eines Moppeds ziemlich einfach ist (Faustformel: doppelte Armlänge).
Die theoretisch mögliche Beschleunigung eines Motorrads ist deutlich höher als die eines Autos. Wer das nicht glaubt, kann gerne mal im Netz recherchieren. Und fernab der Theorie, ist die tatsächliche Beschleunigung eines Moppeds nochmal um ein x-faches höher als die eines Autos. Das liegt wohl daran, dass der durchschnittliche Autofahrer auf der Landstraße immer im allerhöchsten Gang fährt und das Gaspedal auch nur leicht andrückt, warum auch immer. Der Überholweg für ein Motorrad demnach viel kürzer ist als der eines PKW. Je kürzer der Überholweg, desto öfter kann überholt werden. Je öfter überholt wird, desto kürzer die Schlange, umso stressfreier das Fahren für alle.
Es gibt keinen Grund, warum im Überholverbot Moppeds nicht auch überholen dürfen sollten. Außer vielleicht, dass die PKW-Fahrer sich ungerecht behandelt fühlen. Jemand anderem das gleiche Privileg zu geben, dass man selbst genießt, wird bei vielen Menschen als Verlust wahrgenommen. Vielleicht gehen so die Kuhhandel von Verkehrspolitik und PKW-Lobbyisten: Wir machen die PKW-Maut für alle, dafür dürft Ihr weiter Motorräder im Überholverbot überholen. Und alle so: Yeah! Ich habe gewonnen!

Und überhaupt, es gibt viel zu viele Verbote. Für mehr 282!

grisie-freie-fahrt

Sicherheit – zu viel ist gefährlich

Jeden Tag, an dem mich mich auf mein Mopped setze, riskiere ich mein Leben.

Wenn ich das so sage, dann klingt das sehr dramatisch und tatsächlich ist die Aussage ein wenig über-dramatisiert. Denn tatsächlich riskiert jeder, jeden Tag sein Leben. Andererseits ist die Aussage auch untertrieben, denn jeder riskiert nicht nur sein eigenes Leben sondern auch das Leben von anderen.
Ich bin mir dieser Risiken bewusst und gehe sie wissentlich ein. Und ich steuere die Höhe des Risikos, das ich für mich und andere darstelle.
Ich fahre innerorts eher langsam, denn hier bin ich auf meinem Mopped stark genug um schwächere Verkehrsteilnehmer (Fußgänger, Radfahrer) ernsthaft zu verletzen, was ich vermeiden will. Und hier ist das Risiko, auf eben solche schwächeren Teilnehmer zu treffen ungleich höher.
Auf der Landstraße bin ich dagegen der Schwache, derjenige, der von Autos oder Bäumen getötet wird. Die Gefahr für Dritte, für Unschuldige, die unter meinen Fehlern leiden könnte ist viel kleiner. Dementsprechend bin ich hier eher bereit, die Verkehrsregeln kreativ zu interpretieren.
Statt, Straßenverlauf und -zustand, Wetter, Verkehrsdichte etc. (nennen wir sie mal „echte Einschränkungen“), wird meine gefahrene Geschwindigkeit hauptsächlich von runden Schildern und dem meinem Wunsch den Führerschein zu behalten bestimmt (nennen wir diese mal „unechte Einschränkungen“). Total bekloppt.
Eigentlich sollten z. B. Geschwindigkeitsbegrenzungen nur an den Orten stehen, an denen „unsichtbare“ Gefahren lauern (z.B. niedrige Reibbeiwerte) und nicht vor jeder Kurve und Kreuzung und Straßenabschnitten an denen irgendwann mal ein Unfall passierte oder Schlagloch war. Der Fahrer ist dafür verantwortlich mit angepasster Geschwindigkeit zu fahren.
Wenn ich bei Glatteis mit 70 aus einer Kurve fliege, in der maximal 70 erlaubt sind, kann ich nicht zu dem Schildermann humpeln und sagen: Ich habe mich an das Schild gehalten, also musst Du jetzt mein Mopped wieder fertig machen. Andererseits kann der Herr Wachmeister mir aber sagen: Du bist ohne Unfall und Gefährdung anderer die Straße entlang gefahren, aber schneller als auf dem Schild steht, gibt mal Geld und Führerschein.

Zu wenig Stress ist so schlimm wie zu viel

Jetzt kommt das Dumpfargument: Langsamer ist sicherer. Noch langsamer ist noch sicherer. Ist totaler Quatsch. 70 ist nicht per se sicherer als 100 und auch nicht gefährlicher als 50.

Und jetzt stoße ich im Netz auf eine Seite mit dem Titel: How increased speed makes us safer. (english)

Kernaussage ist dort, der Mensch funktioniert am besten, bei einem optimalen Stresslevel. Zu wenig Stress erhöht die Unfallgefahr im gleichen Maße wie zu viel Stress. Angeblich gibt es dazu auch Untersuchungen, aber die werden keine Links und angegeben und keine wirklichen Quellen genannt.

Es scheint mir jedoch plausibel, dass zu wenig Stress am Steuer gefährlich ist. Wenn der Fahrer sich nicht aufs Fahren konzentrieren muss, hat er genug Zeit für andere Dinge, wie z.B. Telefon und Internet oder einfach nur träumen. Als Hinterherfahrender kann ich oft beobachten, wie das Telefon weggelegt wird, wenn es in eine Baustelle mit engeren Fahrspuren geht, da wo der Fahrer sich wieder aufs Fahren konzentrieren muss. Die Automobilindustrie tut viel dafür, um Stress vom Fahrer fernzuhalten. Die Wohlfühlatmosphäre am Steuer, entkoppelt ihn von allen Einflüssen der Straße und des Wetters, und das mit eingebauter Sicherheit, die den Fahrer Unfälle unverletzt überstehen lässt.

Der Biss in den Katzenschwanz

Das Problem wird in Zukunft nur größer. Der Stresslevel des Fahrers wird von zwei Seiten reduziert (Verkehrsregeln und Fahrzeugtechnik) und liegt damit schnell so niedrig, dass es wieder gefährlich ist. Und hier beißt die Katze sich in ihren Schwanz. Denn was passiert, wenn die Fahrer eingelullt über die Chausseen träumen? Unfälle, auf die mit neuen, tieferen Tempolimits reagiert wird oder mit Überholverbot.

Ist das Stressnineau zu hoch, kann man als Fahrer aktiv dagegen vorgehen, indem man. z.B. langsamer fährt, das geht ganz eigenverantwortlich und legal.
Ist es zu niedrig, kann ich als Fahrer den Stress dadurch erhöhen, indem ich z.B. schneller als erlaubt fahre oder das Überholverbot ignoriere. Als Moppedfahrer setze ich dabei mein eigenes Leben auf Spiel, weil ich die Folgen eines Unfalls direkt körperlich spüre. Ich handle immer noch eigenverantwortlich, aber illegal.

 

P.S.

Sorry, dass es heute wieder keine Bilder gibt.

Oscar - Quelle Pinterest