Ein bisschen Gegenrede zu „Kein Grip, kein Grips“

Jochen hat im SPOn seine Meinung zur aktuellen Supersportler und PS Initiative in der Motorrad Industrie geäußert. Ich finde es gut, dass es jenseits von Jubelarien auch Meinungsäußerungen gibt. Besonders gut finde ich es, wenn jemand eine andere (und damit falsche) Meinung hat als ich, denn dann kann ich auch etwas dazu schreiben.

Es ist gut, dass es endlich Moppeds mit mehr als 200 PS gibt. Dieses vorauseilenden Gehorsam-Dückmäusertum kann ich nicht leiden. Unsere Tachos zeigen keine 300 mehr, damit der Gesetzgeber nicht auf die Idee kommt, Motorräder auf 300 km/h zu limitieren. Was ein Quatsch, unsere Gesetztgeber kommen auch von alleine auf total blöde Ideen die den Spaß auf dem Mopped viel stärker einschränken. Die 200PS Verleugnung ist nun vorbei.

Braucht man mehr als 200 PS auf der Straße? Nur wenn man über 300km/h fahren will. Für die Beschleunigung von der Ampel weg ist ein langer Radstand deutlich sinnvoller. Das berühmte Harley vs. Fireblade Video kennt Ihr doch, oder? Falls nicht, klickt den Link.

Auf der Landstraße darf man nur 100km/h fahren (wisst Ihr doch und macht Ihr doch auch), das schafft man auch mit 12 PS.

Braucht man einen Supersportler? Nur auf der Rennstrecke.

Braucht man überhaupt ein Motorrad? Auf jeden Fall viel nötiger als ein Auto; nur damit das geklärt ist!

Glücklicherweise gibt es nicht nur solche Motorräder am Markt, die man braucht. Wenn ich es mir recht überlege, gibt es bei uns fast gar keine Motorräder die jemand braucht, dafür aber eine Menge Moppeds, die jemand will. Und darauf kommt es ja an, denn es werden nur solche Moppeds gekauft, die der Kunde will. Diesen Kaufwillen beim Kunden auszulösen ist jedoch eine komplizierte Aufgabe und ein vielschichtiges Unterfangen. 200 PS Supersportler mit dem vollen Elektronik-Paket werden in erster Linie nicht gebaut, um davon große Stückzahlen zu verkaufen, es sind Markenbotschafter und Imageträger. Aus dem Top-Supersportler wird dann mit 10 cm mehr Federweg, 20 kg mehr Gewicht, ein paar dutzend PS weniger und einem Rohrlenker ein ReiseSportEnduroTourer. Voilà, davon versprechen sich die Hersteller große Stückzahlen, denn die Zeiten, in denen die ReiseEnduro ein zivilisierter Dakar-Renner ist sind schon lange vorbei. Es muss also ein anderes unvernünftiges Mopped her, das zivilisiert werden kann.
Ich behaupte mal, selbst ein Cyril Depres könnte mit einer einer serienmäßigen 1200er GS (oder 1290er KTM oder was auch immer) nicht unter die Top 100 der Dakar fahren. Ein Valentino Rossi wird mit S1000XR auf dem Rennstreckentraining jedoch nur noch von einem Valentino Rossi auf einer S1000RR hergebrannt. Die XR ist also näher an Ihrem unvernünftigen Vorbild als die GS und profitiert demnach mehr davon.

Im Neuromarketing wird behauptet, dass eine emotionale Entscheidung (Das geile Teil will ich!) doppelt so schnell getroffen wird, wie das Gehirn denken kann (Das ist doch total bekloppt, das brauch ich gar nicht). Dann wird in der Regel ein Kompromiss zwischen Herz und Hirn geschlossen und etwas gekauft, damit beide Systeme ihre Belohnungs-Hormone auskippen können. Also in etwa, ich kaufe nicht den Supersportler, sondern die ReiseSportEnduroTourer-Version, das ist viel vernünftiger. Ist natürlich jetzt simplifiziert, aber so in etwa wird das den Entscheidungsträgern heute erklärt.

Deshalb gibt es 200 PS mit Magnesium und Titan und Kohlefaser (nicht mit weglassen, was man weglässt kann man nicht bewerben und verkaufen) für wenig Gewicht, ganz viel Elektronik (das Vernunft-Element für den Emotionsträger) und sonst noch anderen leicht erklärbaren Superlativen und Zutaten.

Ducati weiß das schon lange und verkauft vom jeweiligen Topmodell noch S und R Versionen und Superleggera und limitert und teuer, die auf dei Basis-Version herabstrahlen. Die Japaner waren dagegen immer schon Schnäppchen, weil in Japan noch für Stückzahlen gebaut wurde. Diese Zeiten scheinen nun vorbei zu gehen. Auch in Japan scheint man erkannt zu haben, dass man nicht nur mit Stückzahlen Gewinn erzielen kann. Die Preise für die H2 und H2R (ca. 50.000,- Eumel) von Kawasaki deuten das ebenso an die Existenz der RC213V von Honda, die in der Vergangenheit schon mal ein Motorrad für 100.000 D-Mark im Angebot hatten.

Die wirklichen Stückzahlen werden in Zukunft wohl wieder über die Brot-und-Butter Moppeds erzielt, denn sowohl Honda als auch Yamaha haben in den vergangenen Jahren in diesem Bereich wieder neue Maschinen präsentiert, ich sage nur MT und NC.

Ich deute das neue Wettrüsten als einen Auftakt wieder offensiver am Markt aufzutreten, mehr Einsteiger und junge Menschen für das Motorrad zu interessieren und nicht nur die Altmodelle zu verwalten.

Ob so ein 200 PS Supersportler wirklich eine Millionen elektronischer Helferlein zum fahren braucht? Keine Ahnung. So wie ich fahre brauche ich sie nicht, aber die wenigsten Moppeds werden doch zum fahren gekauft. Guckt Euch mal die Kilometerleistungen der Gebrauchten an. Und wenn ein Motorradbesitzer dann von seinem elektronisch gesteuerten Bürgerkäfig für die jährliche Urlaubstour aufs Mopped steigt schadet es wohl nicht, wenn das auch elektronisch geregelt wird.

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